| "Mine 
      und Stine" von Claus Günther 
        Jeder 
        kennt das: Man sitzt in der Bahn, im Bus, im Restaurant oder sonst wo 
        in der Nachbarschaft anderer, zumeist wildfremder Leute - und wird unfreiwillig 
        Ohrenzeuge von dem, was die sich erzählen.  
        So war es auch bei dem folgenden Dialog im Restaurant "Büsumer 
        Hof" in Büsum an der Nordseeküste, erlebt im September 
        1988. Inhalt und Sprechweise sind authentisch, nur die Namen der beiden 
        Damen sind erfunden.  
      Mine 
        Becker 
        is ja mal hier gewesen. - Doch. 
        Stine 
        Becker? 
        Boris Becker? Hier in Büsum? 
        Mine Nee, nich direkt... In Wesselburen, glaub ich. 
        Oder Neunkirchen. Jedenfalls bei Bekannte. Da hat er sogar noch 'n Vogel 
        gerettet, der Becker. Der wär' den Leuten sonst wechgeflogen. Es 
        is furchbar, hat er gesacht, wenn man überall erkannt wird. Richtich 
        Stress. 
        Stine Das glaub ich. Hat aber auch sein Trainer 
        mit Schuld. Kilian, oder wie der heißt. Dieser Tscheche. Weil der 
        so hart is. 
         
         Anmerkung: 
        Gemeint ist nicht der Trainer, sondern der damalige Manager von 
        Boris Becker, und der heißt nicht Kilian, sondern Tiriac, und er 
        ist auch kein Tscheche, sondern Rumäne. Aber alles andere stimmt... 
         
        Mine Bestimmt. Jungs werden sowieso später 
        reif als Mädchen. 
        Stine  Siehst ja an Stefan. 
        Mine Aber der nimmt keine Rücksicht auf den 
        Becker. Der Trainer. Nur Geld, Geld, Geld. 
        Stine  Siehst ja an Stefan. Und der is schon einunzwanzich. 
        Denk ja nich, dass du die zwölftausend Mark wiederkriss von dem. 
        Von dem nich, sach ich dir. Kein' Fennich (Pfennig). Nich soo viel. Auch 
        wenn er da mit Blumen angekommen is bei dir. 
        Mine Stefan? Bei mir? Mit Blumen? Weiß ich 
        nix von. 
        Stine Soo'n Strauß, sag ich dir. Riiie-sig. 
        Mine Weiß ich nix von. 
        Stine Hat mindestens bei hundert Em (Mark) gekostet, 
        der Strauß, wie er da bei dir mit vore Tür stand. 
        Mine Stefan? Und denn hat er nich geklingelt?  
        Stine 'türlich hat er das. Aber wenn keiner 
        aufmacht - ? 
        Mine Wo war ich denn da? 
        Stine Du? Du bis nich da gewesen bist du. Was denn 
        sonst. 
        Mine Eben. Sonst hätt' ich ja aufgemacht. Aber 
        manchmal is er auch schon spät gekommen. Nach der Tagesschau. Ich 
        sag nee, sag ich, Stefan, ich bin al zu Bett. Und denn sagt er: Jetz' 
        schon? Ich sach ja, sach ich, jetz' schon. Komm man morgen wieder. - Nachher 
        komm ich noch ins Gerede... 
        Stine Jedenfalls: die zwölftausend, die siehst 
        nich wieder. 
         Mine 
        Was er wohl mit den Blumen gemacht hat - ? 
        Stine Ich mein', da muss er ja auch Zinsen für 
        zahlen, eingtlich. 
        Mine Die schönen Blumen. Und denn so teuer... 
        Stine Hast ihm doch geliehn, das Geld, nich? Oder? 
        Oder geschenkt? 
        Mine Geschenkt? Ich? Zwölftausend? Von wegen. 
        Hast du die? Ich nich. 
        Stine Und wenn er nu nich zahlen kann? Muss er ins 
        Gefängnis. 
        Mine Er is ja jetz' inne Psychatrie. 
        Stine Der tut bloß so. Dass er nich zahlen 
        muss. Sonst hätt' er ja - hier oben, tüdelüt. Aber das 
        müssen die Ärzte erstma feststellen. Und? Ham sie das? 
        Mine So viel Geld für'n Blumenstrauß. 
        Wahnsinn! Und ich bin nich da. Wo war ich denn bloß? 
        Stine Den musstu verklagen musstu den. Aber der 
        hat ja nix! Und die zwölftausend, die sind längst - juppheidi. 
        Mine Er wollte das für'n Grundstück haben. 
        Stine Und? Glaubstu das?  
        Mine Hat er gesagt. Frau Behrens hat das auch gehört. 
        Du, die kommt da neulich an - 
        Stine Ich würd' ihn verklagen. 
        Mine - du kennst doch Frau Behrens, nich? Und denn 
        geht sie bei mir auf Toledde, und denn sacht sie hinternach: Hören 
        Sie das ganich? Ich sach: Ich?, sach ich, ich hör alles, alles hör 
        ich. Sehr gut sogar. Nee, sacht sie, wenn man aufzieht bei Ihnen, denn 
        macht das so - iiiik!, hinterher. Müssen Sie doch hören! Iiiik 
        macht das. Ich sach: So?, sach ich. Das weiß ich nich. Ich zieh 
        immer bloß auf und fertich. Ich hör da ganich nach hin. Ich 
        hör immer Welle Nord.  
      Nachsatz. 
        Die Ohrenzeugen - meine Frau und ich - waren, von Lachkrämpfen geschüttelt, 
        weder im Stande, dem laut geführten Dialog weiter zu folgen, noch 
        die Reste unseres Schollengerichts zu vertilgen: Es drohte Erstickungsgefahr. 
         
         
          
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